Programm & Workshops

In Anbetracht der Epidemieentwicklung und des Infektionsgeschehens haben wir entschieden die Fachtagung „Odins Rückkehr! – Ahnenkult und Rechtsextremismus“ online stattfinden zu lassen.

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Montag, 14.12.

9.00 h

Einloggen

9.30 h

Tagungseröffnung

Torsten Nagel (Regionale Beratung gegen Rechtsextremismus, AWO Schleswig– Holstein e.V.)
Dr. Ulf Ickerodt (Archäologisches Landesamt Schleswig–Holstein)

Grußworte:

Schirmfrau Dr.in. Sabine Sütterlin-Waack (Ministerin für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung Schleswig Holstein)

Wolfgang Baasch (Vorsitzender des Präsidiums Arbeiterwohlfahrt Landesverband Schleswig-Holstein e.V.)

Dr. Christian Meyer-Heidemann (Landesbeauftragter für politische Bildung Schleswig-Holstein)

Eröffnungsvorträge:

10.15 h

Vorgeschichte und extreme Rechte

Karl Banghard (AFM Oerlinghausen)

Nazis mögen Urgeschichte. Diese Liebe hat tiefe ideologische und psychologische Wurzeln, sie ermöglicht überdies fintenreiche Werbefeldzüge in die Mitte der Gesellschaft.
Denn wer weiß schon, was am Germanenspaß rechts sein soll. In der breiten Öffentlichkeit gilt das Thema als unpolitisch. Der Impulsvortrag geht auf die Bedeutung der Vorgeschichte für die extreme Rechte ein.

10.50 h

Wo steht die extreme Rechte? Aktuelle Entwicklungen und Schwerpunkte

Daniela Kost (Regionale Beratung gegen Rechtsextremismus Itzehoe)

Rechtsextreme Ideologie und Erscheinungsformen sind beständig im Wandel und richten sich an gesellschaftspolitischen Entwicklungen aus. Dies zu beobachten und zu analysieren ist eine der Aufgaben der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Der Vortrag wird einen Überblick darüber geben, welche aktuellen Erscheinungsformen zu beobachten sind. Diese lassen sich sowohl an aktuell bedeutsamen Akteur*innen, als auch an thematischen Schwerpunkten der extremen Rechten festmachen.

13.00 h – 13.45 h

Was habe ich mit dem Thema zu tun?

Kennenlernen und Identifikation von gemeinsamen Problemfeldern

14.00 h – 15.30 h

1. Workshopphase (Parallele Arbeitsgruppen)

Workshop 1.1: Symbole, Zeichen und Runen in Vergangenheit und Gegenwart

Priv. Doz. Dr. Alexandra Pesch (Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie)

Regionales Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Flensburg

In der modernen Mittelalter- und Wikingerszene werden vielfach Symbole und Zeichen verwendet, die angeblich aus der Zeit der Wikinger stammen oder die allgemein auf die Nordgermanen zurückgeführt werden. Dazu gehören Thorshammer, Wikingerkompass und Irminsul sowie insbesondere auch Runen verschiedener Art. Bei rechtsextremen, identitären, neuheidnischen und anderen Gruppierungen dienen ebenfalls einige dieser Zeichen als Codes. Doch welche sind überhaupt authentisch, welche nicht? Welche Bedeutungen hatten die alten Zeichen zu ihrer Zeit, und wie werden sie heute verstanden? Der Workshop möchte mit konkreten Beispielen einen Beitrag zur Aufklärung leisten und auf die identitätsstiftende Bedeutung vermeintlich alter Symbole und Zeichen aufmerksam machen: Denn die Grauzone zwischen harmlosem, verspieltem Umgang mit einer verklärten Vergangenheit und deren Verwendung als Blaupause für rechtsextreme Gesellschaftsmuster ist groß.

Workshop 1.2: „Wir, Ihr und nicht Sie – Identitätskonstruktionen zwischen Sozialdarwinismus und Ethnopluralismus“

Dr. Ulf Ickerodt (Archäologisches Landesamt Schleswig–Holstein)

Till Stehn (Regionales Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Itzehoe)

Mit der Darwinschen Wende Mitte des 19. Jahrhunderts bekommt die bis in die Jungsteinzeit rückführbare Begründung von Wir-Identitäten eine völlig neue Bedeutung. Abstammung ist jetzt vermeintlich wissenschaftlich, d. h. archäologisch-historisch und medizinisch-anthropologisch nachweisbar und wurde im Rahmen der entstehenden industrialisierten Massengesellschaften dazu genutzt, um Sklaverei und Genozide zu legitimieren. Des Weiteren entwickeln sich ein Abstammung überbetonender moderner Ahnenkult sowie aus dem Entwicklungsdenken heraus der Mythos vom Herren- und Übermenschen. Archäologie und Anthropologie tragen mit dem Nimbus vermeintlicher wissenschaftlicher Nachweisbarkeit nicht nur zur historisch verankerten Konstruktion, sondern auch zur Überhöhung der eigenen Abstammungsgemeinschaft bei. Nach dem Ersten Weltkrieg werden diese Ansätze insbesondere im Nationalsozialismus genutzt, um eine rassistische, mörderische Politik zu betreiben. Nach der Darlegung des historischen Entstehungszusammenhang sowie der anthropologischen Grundlagen von Rassismus aus archäologischer Perspektive wird das in einen Bezug zum heutigen Rechtsextremismus gesetzt. Viele der im 19 Jahrhundert entwickelten Denkmodelle werden bis heute von Rechtsextremen Gruppen fortgeführt und sind ebenso in Germanen-, Wikinger-, Slawen- oder Spartanerrezeptionen zu erkennen.

Workshop 1.3: Reichsfarben und Regenbogen

Andreas Speit (Journalist / Autor)

In den Protesten der selbsternannten „Freiheits:“ und „Grundrechteverteidiger:innen“ geht die Angst vor Zwangsimpfungen -, und -verschippungen umher. „Gib Gates keine Chance“, ist eine ihrer Parolen, und einer ihrer Narrative. Ohne eine Verschwörungstheorie geht es in diesem Milieu nicht. Esoterische Vorstellungen und naturkundeheile Ideen beschwören zudem die vermeintliche Erlösung und Naturnähe. Dieses Querdenken bezieht sich nicht alleine auf alternativ Ideen, dieses Denken vitalisiert rechte Ressentiments. Vorstellungen, die in der arischen Mythologie der Ahnenkulte mit beruhen. Bei den Demonstrationen können so auch Reichs- und Regenbogenfahnen nebeneinander im Wind wehen. Nicht alle sind Rechtsextreme, sie alle marschieren aber mit Rechtsextremen.

In dem Workshop geht Andreas Speit auf die aktuellen Verschwörungsideologien ein, hinterfragt Multiplikator:innen und Positionen und zeigt auf Affinitäten von vermeintlich alternativen Haltungen und rechten Einstellungen auf. Eine lange historische Tradition wird sichtbar.

Workshop 1.4: Männlicher ‚Ahnenkult‘ in Wissenschaft und Popkultur

Prof. Dr. Heike Sahm / Dr. Silke Winst (Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Deutsche Philologie)

Vorstellungen von Germanen und Wikingern sind oft noch heute in einer strengen binären Geschlechterordnung verankert, in der ausschließlich Männer als Helden und Krieger gedacht werden. Dies ist ein Phänomen, das auch im wissenschaftlichen Diskurs anzutreffen ist, denn selbst dort halten sich solche Männlichkeitskonstruktionen beharrlich. So entbrannte vor Kurzem eine hitzige Debatte über Kriegerinnen / Wikingerinnen, deren Existenz trotz archäologischer Ergebnisse von konservativen Hardliner schlichtweg geleugnet wurde. Eine vergleichbare Langlebigkeit kriegerischer Männlichkeitskonstruktionen prägt auch den Rückbezug auf das Vorbild der Germanen. Dieses Germanenbild hatte die Forschung des 19. Jahrhunderts entworfen und nicht zuletzt über Erzählsammlungen mit Titeln wie ‚Germanische Heldensagen‘ dem kulturellen Gedächtnis der Nation eingeschrieben. Während die Forschung jedoch inzwischen die ideologisch begründete Vorstellung von ‚den‘ Germanen als ‚den‘ Vorfahren der Deutschen verabschiedet hat, werden die Heldensagen bis heute identisch nachgedruckt und dienen als Fundus für Computer- und Rollenspiele, obwohl sie – anders als in Vor- oder Nachwort behauptet – die Helden archaischer machen, als sie dies in den Quellen sind. Im Workshop soll dies ein Vergleich von Textpassagen aus der mittelalterlichen Heldendichtung mit den entsprechenden Passagen aus ‚Germanischen Sagen‘ veranschaulichen.

16.30 h – 18.00 h

Podiumsdiskussion „Geschichte erlebbar machen – ein Blick aus der Praxis auf die möglichen Verbindungslinien von Ahnenkult und Rechtsextremismus?“

Moderation:
Matthias Maluck (Archäologisches Landesamt Schleswig–Holstein)
Podium: Ute Drews (Wikinger Museum Haithabu),  

Ralf Matthies (Beowulf Schleswig),
Eckhard Abel (Zeytreyse e.V.),
Wiebke Naujoks (VikingMania)

Dienstag 15.12.

9.00 h

Einloggen

9.30 h – 10.45 h

Im Norden nichts Neues? Neun Jahrzehnte „Germanisches“ im deutschen Dokumentarfilm

Dr. Martin Lindner (Georg-August-Universität Göttingen, Althistorisches Seminar)

Anhand einer Vorführung von vier Filmbeispielen aus den 1930er Jahren bis heute werden die Grundbausteine einer Germanenerzählung aufgezeigt, an der sich auch moderne Produktionen immer noch abarbeiten – oder diese oft unkritisch fortschreiben. Die oft emotionale Aufladung aktiviert dabei gezielt Fremdheits- und Vertrautheitserfahrungen, wobei gerade die scheinbar unverdächtigen Aspekte die größte „Sprengkraft“ besitzen. Eine besondere Rolle kommt der Alltagsgeschichte und der Objektdarstellung zu, die daher im Zentrum der Präsentation stehen werden.

11.00 h – 12.30 h

2. Workshopphase

Workshop 2.1: Ahnenkonstruktionen in populär- und subkulturellen Geschichtsdarstellungen

Karin Reichenbach (Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO))

Medievalism, historisches Reenactment und neopagane Kulturen sind nur einige Phänomene, in denen mit zum Teil großer visueller und medialer Strahlkraft Vorstellungen über prähistorische und frühmittelalterliche Gesellschaften Verbreitung finden. Sie haben jedoch oft wenig mit den komplexen Geschichtsentwürfen, wie sie in Geschichtswissenschaft und Archäologie diskutiert werden gemein, und schließen eher an nationalromantische Sehnsüchte oder bisweilen gar an völkische Denkmuster des 19. und frühen 20. Jh. an. Wie sehr ethnonationalistische Ahnenkonstruktionen öffentliches Geschichtserleben und insbesondere die Vorstellungen von Wikingern und Germanen, aber auch Slawen oder Turaniern prägen, wird anhand von verschiedenen Beispielen thematisiert.

Workshop 2.2: Völkische Landnahme

Andrea Röpke (Journalistin und Buchautorin)

Völkische Ideologie ist auf dem Vormarsch. Doch immer mehr Rechtsextreme richten ihr Leben entsprechend dem Weltbild aus. Seit Jahrzehnten betreiben völkische Siedler vor allem in den ländlichen Generationen generationsübergreifende „nationale Graswurzelarbeit“.  Dieser unauffällige Aktionismus ist gegen die moderne und liberale Gesellschaft der Großstädte gerichtet, es herrschen alte Geschlechterbilder und autoritäre Erziehungsmuster vor. Die Aussteiger von rechts betreiben ökologische Landwirtschaft, pflegen altes Handwerk und nationales Brauchtum, organisieren Landkaufgruppen und eigene Wirtschaftsnetzwerke, die bundesweit agieren. Sie bringen sich in örtlichen Vereinen ein und gehen in die lokale Politik, um Umweltschutz mit „Volksschutz“ zu verbinden und eine angebliche „Überfremdung “ zu verhindern. Auch in Schleswig-Holstein gibt es zahlreiche Beispiele für diese Entwicklung, auf die in dem Workshop eingegangen wird.

Workshop 2.3: Ökologie in der Neuen Rechten

Yannick Passeick (Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz, FARN)

Nicht nur bekennende Anhänger:innen des Nationalsozialismus, sondern auch die sogenannte „Neue Rechte“ beschäftigt sich mit ökologischen Themen. Oft werden bei ihnen rückwärtsgewandte Konzepte mit progressiven Elementen wie zum Beispiel Postwachstumsökonomie, Fair Trade und Nachhaltigkeitskonzepten verbunden. Nicht selten wird dabei der Bezug zu einer historisch-mythischen Verbundenheit eines Volkes mit dem Raum herangezogen. Der Workshop beleuchtet die Argumentationsweisen neu-rechter Akteur:innen und Gruppierungen und wirft einen Blick auf deren mediales Erscheinungsbild. Die Teilnehmer:innen lernen unterschiedliche neu-rechte Akteur:innen kennen und setzen sich mit deren Engagement für Natur und Umwelt auseinander. Die Teilnehmenden werden für Argumentationsmuster sensibilisiert, die auf den ersten Blick nicht so leicht als rechtsextrem erkannt werden.

Workshop 2.4: Ahnenkult in der aktuellen Jugend- und Musikkultur der extremen Rechten

Dr. Niels Penke (Universität Siegen, Germanistisches Seminar)

Jan Raabe (Verein Argumente & Kultur gegen rechts e.V.)

Welche Bedeutung hat der Ahnenkult in der aktuellen Jugend- und Musikkultur der extremen Rechten? Über welche Motive und Bezüge findet die Rezeption statt und welche Funktion hat diese Anrufung der Ahnen? Im Focus des Workshops  sollen vor allem die neueren Entwicklungen stehen.
Die AfD nahe Arcadi, der Black-Metal, der Neofolk, die Identitäre Bewegung und andere die diesbezüglich nicht so im Rampenlicht stehen wie der klassische RechtsRock. 

13.30 h – 14.15 h

Welche Impulse nehme ich von der Fachtagung mit?

14.15 h

Tagungsabschluss

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